Die Gottgardsruine – von der Burg zum Kloster bis zur heutigen Ruine

Immer wieder faszinierend ist der Lichteinfall im Wechsel der Tages- und Jahreszeiten. Besonders verzaubernd erlebte ich dieses Schauspiel unter anderem in der Gotthardsruine zwischen Weilbach und Amorbach im Landkreis Miltenberg (Unterfranken, Bayern). 
Sicher würde das Licht in den frühen Morgen- oder späten Abendstunden nochmal einen ganz anderen Charme entwickeln, aber leider habe ich es bislang noch nicht geschafft, genau dann vor Ort zu sein. 

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Dieser Beitrag wurde zuletzt überarbeitet und erweitert am 25.05.2020.

Der leichte Aufstieg von der Verbindungsstraße zwischen Weilbach und Amorbach (Startpunkt ist die kleine Parkbucht am Beginn des Waldlehrpfades) dauert gerade einmal gemütliche 30-40 Minuten. Er ist gut zu bewältigen und führt auf einfachen Wegen durch lichten Wald. Letztlich sind nur rund 150 Höhenmeter zu überwinden, also alles kein Problem. Ein alternativer Weg startet in Amorbach (Ausgangspunkt ist der Bahnhof) und benötigt etwas mehr Zeit.
Trotz des relativ geringen Höhenunterschieds zum Tal erlaubt der Platz an der Ruine schöne Aussichten über den Odenwald und bis in den Spessart. Steigt man auf den Turm der Kirche (Vorsicht: Enge und hohe Wendeltreppe mit kleinen Stufen und ohne Beleuchtung), so erweitert sich der Horizont noch einmal beträchtlich.

Nicht nur interessant, sondern geradezu spannend und immer wieder überraschend ist es, in die wechselvolle und verwinkelte Geschichte dieses heutzutage idyllischen Ortes einzutauchen.

Eine Tafel an der Ruine weißt darauf hin, dass der Berg zur Römerzeit vermutlich eine Signalstation zwischen den beiden Limeslinien war.

Nach einer Überlieferung soll schon im 8. Jahrhundert der fränkische Gaugraf Ruthard auf der damals als Frankenberg bezeichneten Erhebung das „Castrum Frankenberg“ (später Burg Frankenberg) erbaut haben. Seit im Jahre 1138 der Burg eine dem Heiligen Godehard von Hildesheim geweihte Kapelle hinzugefügt wurde, wird der Berg „Gotthardsberg“ genannt. 

Auf dem Reichstag zu Würzburg im Jahre 1168 erließ dann Stauferkaiser Friedrich I. (Friedrich Barbarossa) in der sogenannten „Güldenen Freiheit“ u.a. den Beschluss, diese Burg zu zerstören… man spricht davon, dass sie damals Raubrittern Unterschlupf bot. Dieser Befehl enthielt die Anordnung, die „alle Ordnung gefährdende Burg Castrum Frankenberg“ niemals wieder aufbauen zu dürfen.

Mit Beginn des 13. Jahrhunderts wurde an Stelle der Burg ein Nonnenkloster der Zisterzienserinnen erbaut. Allerdings verlor dieses schon im 15. Jahrhundert immer mehr an Bedeutung und wurde schließlich 1244 unter Konrad I. von Dürn aufgelöst. Die Nonnen verlegte man in das 1239 gegründete Kloster Seligental bei Osterburken.
Auf Intervention Papst Innozenz IV. gab Konrad das Kloster im Jahre 1245 an die Nonnen zurück. Sein Versuch den Gotthardsberg 1244/1245 erneut zu befestigen (wie aus der päpstlichen Urkunde zu erfahren ist, hatte Konrad in der Zwischenzeit auf dem Berg bereits mit dem Neubau einer zweiten Burg begonnen), scheiterte damit am erbitterten Widerstand des Klosters, des Papstes und daran, dass dieses Vorhaben den Weisungen der „Güldenen Freiheit“ widersprach. Die Herren von Dürn sahen in der Folge von einer neuerlichen Wehranlage auf dem repräsentativen Standort ab und verstärkten ihre Bautätigkeit in der nur wenige Kilometer südlich von Amorbach liegenden Burg Wildenberg.  

Ein nächster, einschneidender Besitzerwechsel auf dem Berg erfolgte am 4. September 1439. Einer Urkunde zufolge befand sich das Kloster zu diesem Zeitpunkt in einem verwahrlosten Zustand. Daher wurde es zusammen mit seinen Ländereien direkt der Abtei Amorbach unterstellt. Die Mönche führten den von den Nonnen erfolgreich aufgebauten Wirtschaftbetrieb weiter. Investitionen erfolgten besonders im Weinbau. So baute man einen tonnengewölbten Keller aus, der unter dem Prioratshaus liegt. Aus jener Zeit stammt auch die sich nördlich anschließende, ebenfalls unterirdische Kelter. Die Mönche bewohnten und bewirtschafteten den Gotthardsberg nur annähernd ein Jahrhundert lang. Im Bauernkrieg von 1525 brannten die Bauern die damals leerstehenden Gebäude nieder und legten damit das ehemalige Kloster in Schutt und Asche. Als nämlich Götz von Berlichingen, einer der Anführer des Bauernaufstandes mit seinen Truppen in Amorbach lagerte, wurde am 4. Mai 1525 die Wildenburg niedergebrannt. Etwa gleichzeitig ging auch die Bebauung auf dem Gotthardsberg in Flammen auf. Da die meisten Gebäude des Priorats in Fachwerktechnik errichtet waren und bis auf die Grundmauern niederbrannten, erhielten sich über die Jahre lediglich die Ruinen der vollständig aus Stein ausgeführten Klosterkirche. Ihre beiden Arkadenreihen sowie die verzierten Kämpferfriese stammen aus dieser Phase. 

1628 begann der Abt der Amorbacher Benediktiner-Abtei dann mit dem Wiederaufbau der Kirche. Mit Vollendung der Bauarbeiten erfolgte dann 1631 (also mitten im 30-jährigen Krieg) die Einweihung, doch wurde die neue Kirche noch im Laufe der Kriegshandlungen durch schwedische Soldaten geplündert und danach mehrmals (1698 und 1714) durch Blitzeinschläge zerstört. Seitdem ist sie eine Ruine, welche erst 1956 eine Restaurierung erfuhr und wieder ein Dach erhielt, um sie vor weiterem Verfall zu schützen.

Schäden am Dach der Gotthardsruine

Am Ende des 18. Jahrhunderts wurden die Liegenschaften des Gotthardsbergs anläßlich einer Reformierung des Klosters Amorbach zu gleichen Teilen an die Stadt Amorbach und an die Gemeinde Weilbach veräußert. Seither verläuft die Gemarkungsgrenze mitten durch das Kirchenschiff. Die zum Acker- und Weinbau genutzten Hänge dürften damals bereits zum Großteil bewaldet gewesen sein.
Der Rundturm an der Nordostseite wurde im Jahre 1878 erhöht und zum Aussichtspunkt ausgebaut. Von seiner Plattform aus bietet er einen weiten Blick über den Amorbacher Talkessel, der über den Odenwald und bis in den Spessart hinein reicht (der sogenannte „7-Täler-Blick“). 

Weiter Blick in den Odenwald

Heute zeigt sich die Ruine als dreischiffige Pfeilerbasilika ohne Querschiff.

Entsprechend ihrer langen und wechselvollen Geschichte finden sich Stilelemente der Romanik, der Gotik und der Renaissance, alles ausgeführt im typischen roten Sandstein der Region.
Die beiden Mittelarkaden stammen aus romanischer Zeit, die Schmuckformen sind meist gotisch, die Portale stammen aus der Renaissance.

Östlich davon liegen verschüttete Keller, die einst zum Kloster bzw. den Probsteigebäuden gehörten. Von der ehemaligen Burganlage sind lediglich Reste eines Kellers erhalten.
Bei Ausgrabungen durch das Archäologische Spessartprojekt (ASP) in den Jahren 2010 bis 2012 wurden Kellergewölbe und weite Mauerreste inklusive interessanter Funde aus der Klosterzeit freigelegt und gesichert. 
Der Burgstall ist nun Bodendenkmal nach der Bayerischen Denkmalliste. Als Denkmal-Nummer D-6-6321-0041 werden „archäologische Befunde im Bereich des ehem. mittelalterlichen Klosters und untertägige Teile der frühneuzeitlichen Kirchenruine St. Gotthard sowie hochmittelalterlicher Burgstall“ ausgewiesen.

Im Laufe der Jahrhunderte haben sich viele Besucher durch Inschriften oder Gravuren im Sandstein der Ruine verewigt.
Leider bedecken aber auch etliche wenig kunstvolle und unpassende Kreide-„Graffitis“ die Wände. 

Uralte Inschriften an der Wendeltreppe.


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